Periimplantitis

3. Risikofaktoren und Prävention

Implantatverluste werden in einem Zeitfenster von bis zu einem Jahr („früher Implantatverlust“) und von über einem Jahr („später Implantatverlust“) eingeteilt (ZITZMANN & BERGLUNDH, 2008). Dabei führen Perimplantitiden meistens zu einer späten, wohingegen mechanostatische Faktoren meist zu einer frühen Verlustsituation führen.

Als allgemeine Risikofaktoren für die Entwicklung einer Periimplantitis gelten (WALLOWY, 2012; SCHWARZ et al., 2008; CHARYEVA et al., 2012; HUYNH-BA et al., 2008; HEITZ-MAYFIELD, 2008; GRUICA et al., 2004; LAGERVALL & JANSSON, 2013; LORENZ & KLANG, 2013; LINKEVICIUS et al., 2013, Smeets et al., 2014a):

  • Mangelnde Patientencompliance und eingeschränkte Mundhygiene. Hierunter fallen auch vernachlässigte Kontrolluntersuchungen post implantationem
  • Nikotionabusus mit zusätzlichem signifikant höherem Risiko für etwaige Komplikationen bei Vorliegen eines IL-1 Genotyp als Polymorphismus
  • Systemische Erkrankungen (z. B. schlecht eingestellter Diabetes, Immunsupression)
  • Vorrausgegangene Gingivitiden und Parodontitiden mit besonderer Beachtung der Restbezahnung
  • Weichgewebsschäden bzw. qualitativ minderwertiges Weichgewebe am Ort der Implantation (u. a. fehlende keratinisierte Gingiva)
  • Iatrogene Ursachen (z. B. Zementitis, bei Vorliegen einer Parodontitis)
  • Historie eines oder mehrerer implantologischer Misserfolge

Vorliegende Parodontitiden und Raucherstatus führen dabei 4,7 bzw. 4,6-mal häufiger zu Perimplantitiden (WALLOWY, 2012). über einen Beobachtungszeitraum von 10 Jahren konnten die bei Parodontitis-Patienten zuvor eliminierten Bakterienstämme A. actinomycetemcomitans und P. gingivalis wieder auf der oralen Mukosa detektiert werden (ZITZMANN & BERGLUNDH, 2008). P. intermedia war hingegen durchgehend aufzufinden. Dies spricht für ein Nischenüberleben der Bakterien mit Wiederauftreten der gleichen Mikroflora wie vor der Extraktion, wobei resektive Therapieverfahren (Gingivektomie und offene Reinigung) bei vorliegender Parodontitis zu durchgehend niederschwelligeren Immunantworten an der Extraktionsstelle als nicht-resektive Verfahren (offene Wurzelreinigung) führten. Im Besonderen ist im Rahmen des Therapieverfahrens auf die Restbezahnung als po-tentielle Infektionsquelle zu achten. Für diagnostische Zwecke kann die Matrix-Metallproteinase-8 (MMP-8) bei Periimplantitiden um bis zu 971 % gegenüber gesunden Zähnen erhöht sein (XU et al., 2008; SORSA et al., 2011; SORSA et al., 2010).

Eine durch „Zementitis“ induzierte Periimplantitis liegt bei fast jedem 5. Implantat vor, wobei die Entfernung der Zementreste zu einem Rückgang der Entzündungsreaktion um fast 60 % führt (KORSCH et al., 2014).
LINKEVICIUS et al. (2013) konnten bezüglich Zementresten sich obligat entwickelnde Periimplantiden in einem Patientenkollektiv mit Parodontitis-Vorgeschichte aufzeigen (100 %). Bei Patienten ohne vorangegangene Parodontitis begünstigten Zementreste in 65 % der Fälle die Entwicklung einer Periimplantitis Eine Unterscheidung anhand charakteristischer Sondierungstiefen (pocketing) ist dabei als obligater Kofaktor anzusehen (SCHWARZ & BECKER, 2013; HEITZ-MAYFIELD, 2008). Die Sondierung sollte bei minimalem Kräfteeinsatz erfolgen, wobei der sogenannte „platform switch“ (Abutmentdurchmesser kleiner als der Implantatdurchmesser) die Sondierung erschweren und so das wahre Ausmaß einer Periimplantitis verbergen kann (SCHLOTTIG, 2011; ALNSOUR et al., 2012).

Abzugrenzen sind Implantatverluste aufgrund folgender weiterer Faktoren (ZITZMANN & BERGLUNDH, 2008; WALLOWY, 2012; SCHWARZ et al., 2008; FLANAGAN et al., 2009; MAHNAMA et al., 2013; STEIGENGA et al., 2003; GEORGIOPOULOS et al., 2007; Smeets et al., 2014a):

  • Überbelastungen des Implantats
  • Materialfehler, technische Fehler und falsch gewählter Materialeinsatz bzgl. maßgeblicher Bestimmungsfaktoren des Implantaterfolgs
  • Mangelnde Verfügbarkeit bzw. qualitativ minderwertiger Knochen am Implantationsort
  • Systemische Erkrankungen und medikamentöse Therapien, welche Knochenmodulationen gemäß des Wolffschen Gesetzes (Knochendichte und Festigkeit nehmen bei Belastung zu – und umgekehrt) und der mechanostatischen Theorie aufheben

So weisen Implantate >10 mm im Vierkantgewinde-Design höhere Erfolgsraten auf als geringere Implantatlängen oder Formen ohne Gewinde oder Sägezahngewinde (STEIGENGA et al., 2003; GEORGIOPOULOS et al., 2007). Auch scheinen raue Implantatoberflächen von > 2 μm eine bessere Osseointegration als glatte (< 0,5 μm) oder moderate Oberflächen (1–2 μm) aufzuweisen, wobei hier aufgrund anderer kontroverser Ergebnisse weitere Studien nötig sind (SCHLOTTIG, 2011).

Bei Kraftentwicklungen im Kiefergelenk von über 1300 Newton können einheilende Implantate in den ersten Monaten bereits bei sagital einwirkenden Kräften von durchschnittlich 50N um 100 Mikrometer verschoben bzw. bewegt werden (FLANAGAN et al., 2009). Diese durchschnittlichen Referenzkräfte steigen bei Artikulationswinkeln bei bis zu 60° in der Horizontalen auf 87N an.

Als weitere Präventionsmaßnahme sind Implantatsysteme mit Innenverbindungen und nach innen verlagertem Microgap zu bevorzugen (Abb. 2) (WALLOWY, 2012). Wichtigstes Kriterium bleibt hier aber weiterhin das maximal hygienische Arbeiten und die Berücksichtigung aller chirurgischen Präventionsmaßnahmen.

Ein Einfluss der Mikroarchitektur unterschiedlicher Implantatschulter-Designs auf das krestale Knochenangebot und das Auftreten von Plaqueakkumulationen wird ebenfalls diskutiert (HERMANN et al., 2011; SUBRAMI et al., 2009). Implantatsysteme mit mikrostrukturierten Schulterbereichen sollen durch eine raue Oberfläche begünstigende Faktoren für die Knochenneubildung und damit einhergehend einen geringen krestalen Knochenverlust schaffen (HERMANN et al., 2011) (Abb. 3; B, b). Maschinierte Implantatschultern dagegen sollen die Plaqueakkumulation und das damit einhergehende Infektionsrisiko im Vergleich zu rauen Oberflächen minimieren (SUBRAMI et al., 2009; QUIRYNEN et al., 1996) (Abb. 3; A, a). In einer aktuellen Close Up-Übersichtsarbeit kommt FIENITZ (2014, angenommen) zu dem Schluss, dass für enossale Implantate ein Kompromiss zwischen Knochenbildungfördernden rauen Oberflächen und Biofilmresistenteren glatten Oberflächen entsprechend den Erfahrungen des Behandlers, dem Patientenwunsch und der Compliance sowie unter Berücksichtigung weiterer Risikofaktoren in Perriimplantitis-Prozessen gefunden werden muss.

Tabelle 3: Anzahl der Kontrolluntersuchungen (KU) für bestimmte Patientenkollektive
  KU = 1 KU = 2 KU > 1
Mundhygiene und Hygienefähigkeit des Implantats Gut Mittel Schlecht
Raucherstatus / Vorgeschichte Gegeben
Parodontitis, Mukositis(mit Vorgeschichte) / /Gegeben  
Weitere Risiken / / u. a. systemische Erkrankungen, Historie einer nicht geglückten Implantatversorgung

Im Rahmen der ganzheitlichen Therapie und Kontrolluntersuchungen sind so genannte Referenzparameter („Stunde Null“) und klare Kontrollabläufe mit engmaschiger Dokumentation einzuhalten. Prä-, intra- und postimplantologische Röntgenuntersuchungen sind unter Erfassung des intraimplantologischen Situs als Referenzparameter zu bilden, wobei periimplantäre Entzündungsvorgänge als Aufhellungszonen bezüglich erhöhter Knochenresorptionsraten auffällig werden (WALLOWY, 2012). Eine Kontrolluntersuchung sollte neben Beratung, Schulung und einer professionellen Zahnreinigung das Festhalten der Sondierungstiefen der Taschen und Festlegen des nächsten Termins beinhalten. Blutungen, Schwellungen und Rötungen bei der makroskopisch-manuellen Sondierung weisen per definitionem auf eine mögliche Periimplantitis hin.