Risikopatienten – Was müssen wir beachten?

5. Bisphosphonate

Bisphosphonate (BP) sind eine umstrittene Medikamentengruppe, die zum Beispiel bei Knochenstoffwechselkrankheiten, Tumoren wie dem Mamma- und dem Prostatakarzinom und bei der tumorassoziierten Hyperkalzämie eingesetzt werden (PAVLAKIS & STOCKLER, 2002; KHAN & PARTIN, 2003; WILLIAMS et al., 1997). Sie hemmen die Osteoklasten und sorgen somit für eine verminderte Knochenresorption (Abb. 2). Zusätzlich haben sie einen additiven Effekt auf die Knochenmasse (RODAN, 1998). Im Jahr 2003 wurde von MARX über Nebenwirkungen wie Wundheilungsstörungen bis hin zu einer Osteonekrose berichtet. Wird eine Bisphosphonat-Therapie angestrebt, muss vom Zahnarzt beziehungsweise Chirurgen eine Fokussuche gemacht werden. Hierbei wird nach entzündlichen Prozessen im Kiefer- oder Mundhöhlenbereich, nach Wunden der Schleimhaut, scharfen Knochenkanten sowie Druckstellen von Prothesen oder Implantaten gesucht (GRÖTZ, 2010; RIPAMONTI et al., 2009; PFAMMATTER et al., 2011).

Zusätzlich sollte der Behandler den Patienten auf die Nebenwirkungen von Bisphosphonaten und eine gute Mundhygiene hinweisen. Bei Handlungsbedarf sollte dies 2–3 Woche vor der Bisphosphonatgabe geschehen. Erfolgt nun die Gabe des Bisphosphonates, wird der Patient alle 3, 6 oder 12 Monate zur Kontrolluntersuchung einbestellt. Stellt sich hierbei ein chirurgischer Handlungsbedarf dar, sollte Rücksprache mit dem Bisphosphonatverordnenden Kollegen über eine Medikamentenpause und eine antibiotische Therapie gehalten werden (PFAMMATTER et al., 2011; DIMOPOULOS et a., 2009; MEHROTRA et al., 2008). Der Eingriff sollte möglichst atraumatisch mit einem primären Wundverschluss durchgeführt werden, wenn nötig mit einer plastischen Deckung.

Die Inzidenz der Bisphosphonate Related Osteonecrosis of the Jaws (BRONJ) liegt bei 4–10 % und ist diagnostiziert, wenn ein Teil des Kieferknochens seit über 8 Wochen freiliegt bei positiver Bisphosphonatanamnese und negativer Bestrahlungsanamnese der Kopf-Halsregion (MELEA et al., 2014). Aufgrund von Osteonekrosen durch andere Medikamentengruppen wurde 2014 von der American Association of Oral and Maxillofacial Surgeons (AAOMS) eine Änderung von BRONJ zu Antiresorptive Agent-Induced Osteonecrosis of the Jaw (ARONJ) vorgeschlagen (RUGGERIO, 2014; RUGGERIO et al., 2014) (Abb. 3).

Die Mandibula ist häufiger betroffen als die Maxilla, wobei sich typische Symptome präsentieren als Schwellungen, Halitosis, Kiefersperre, spontan freiliegender Knochen, spontane Fraktur, intra- oder extra- orale Fisteln, diffuse Schmerzen und Zahnlockerung (de FREITAS et al., 2016). In der Panoramaschichtaufnahme, im MRT oder im Schädel-CT kann der Verdacht verifiziert werden. Die AAOMS empfiehlt eine konservative Therapie mit einer Chlorhexamed-Mundspülung, Antibiotika und gegebenenfalls die Drainage eines Abszesses, wenn kein Knochen freigelegt ist oder asymptomatisch Knochen freiliegt (MELEA et al., 2014). Ein operativer Eingriff wird bei freiliegendem Knochen und Entzündungszeichen oder anderen Komplikationen empfohlen. Nach der S3 Leitlinie von GRÖTZ et al. (2012) der DGMKG, DGZMK, BDO, KZBV und BZÄK sollten der nekrotische Knochen und scharfe Knochenkanten entfernt werden in Kombination mit einer antibiotischen Therapie. Dies kann über eine Floureszenz-gesteuerte Nekroseabtragung erfolgen (VELscopeTM) (HANKEN et al., 2013) (Abb. 4). Ein kurzzeitiges Absetzen des Medikaments hat keine Auswirkung, jedoch ermöglicht ein Pausieren über 6 Monate einen besseren Therapieerfolg (MAGOPOULOS et al., 2007).

A) Klinisches Bild einer Knochennekrose
B) & C) Darstellung der Floureszenz­-geminderten Knochennekrose unter dem „VELScope“ (Visually Enhanced Lesion Scope)

Abb. 4
Fluoreszenz­-gesteuerte Nekroseabtragung