Periimplantitis

4. Therapie

Im Rahmen des therapeutischen Konzepts wird zwischen einem chirurgischen und einem nicht-chirurgischen Ansatz unterschieden, wobei je nach Fall synergetische Therapiepläne in Frage kommen. 2012; PERSSON et al., 2010; RENVERT et al., 2009; SAHM et al., 2011; LOUROPOULOU et al., 2013; KARRING et al., 2005; Smeets et al., 2014a). PERSSON et al.

4.1. Konservative Therapie

Neben medikamentösen und manuellen Therapieformen (Teflon-, Karbon-, Kunststoff-, Titanküretten, Ultraschall- und Pulverstrahlsysteme) werden gehäuft innovative Techniken wie die lasergestützte und photodynamische Therapie in Anspruch genommen. Dabei weisen Therapien mittels Ultraschall oder Kürettage durchgängig schlechtere Resultate auf als Behandlungen mittels Pulverstrahlsystemen (SCHWARZ et al., 2008, TASTEPE et al., 2013; TASTEPE et al., 2012; PERSSON et al., 2010; RENVERT et al., 2009; SAHM et al., 2011; LOUROPOULOU et al., 2013; KARRING et al., 2005; Smeets et al., 2014a). PERSSON et al.

(2010) und RENVERT et al. (2009) konnten dabei eine zum Teil signifikant niedrigere Bakterienanzahl mit teilweiser Reduzierung der Plaque- und Blutungsscores nach mechanischer Kürettage feststellen, während SCHWARZ et al. (2008) von 30 % niedrigeren residualen Biofilmbereichen bei Ultraschallbehandlungen berichtet. Dabei sind je nach Oberflächentopographie verschiedene Therapieansätze zu verfolgen (Tab. 4).

Tabelle 4: Effektivität verschiedener Reinigungsmethoden
  Glatte Oberfläche Sandgestrahlte und säuregeätzte Oberfläche (SLA) Plasmagesprühte Oberfläche
Gummikappe      
Kürette aus Metall; rotierende Titanbürsten   X X
Kürette aus Plastik      
Ultraschallsysteme mit Metallspitzen 0 (poliert)    
Ultraschallsysteme mit Plastikspitzen   X X
Pulverstrahl X X X

Qualitativ befundene Effektivität (x: ja/ o: nein) verschiedener Reinigungsmetoden in Abhängigkeit von der Titanoberfläche (LOUROPOULOU et al., 2013; Smeets 2014a).

Die insgesamt als effektiv einzustufenden Pulverstrahlsysteme sind in ihrem Behandlungsgergebnis wiederum abhängig vom eingesetzten Strahlmittel, wobei in der Reihenfolge Hyroxylapatit/Trikalziumphosphat, Hyroxylapatit, Glycin-Pulver > Titandioxid > Wasser und Luft (Kontrollgruppe) > Phosphorsäure signifikant bessere Ergebnisse erzielt werden konnten (TASTEPE et al., 2013). Abrasive Strahlmittel können die Oberfläche von Implantaten modifizieren und bilden Rückstände, wobei das zelluläre Adhäsionsverhalten bei niedrigerer Zellantwort erhalten bleibt (TASTEPE et al., 2012, SAHM et al., 2011). Die Re-Osseointegrationsrate von Titanimplantaten nach Pulverstrahltherapie wird zwischen 39 % und 46 % angegeben, wobei sich das klinische Implantatattachment erhöht und die Taschentiefe reduziert (TASTEPE et al., 2012). Das Auftreten von Blutungen, einer der qualitativen Parameter bei Vorliegen einer Periimplantitis, wird nicht reduziert (SAHM et al., 2011).

Abb. 4: Oberflächenplastik am Implantat

4.1.1. Medikamentöse Therapie

In vitro- und in vivo-Studien zur medikamentösen Therapie der Mukositis und Periimplantitis sind zahlreich und teilweise widersprüchlich in ihren Ergebnissen. Eine definitive Wirksamkeit einer bestimmten Therapie oder eines bestimmten Antibiotikums kann aufgrund der schlechten Vergleichbarkeit der Studien untereinander, welches den verschiedenen Studiendesigns geschuldet ist, nicht gegeben werden. Folgende drei Bereiche können grob unterschieden werden:

  1. Verabreichung von systemisch und lokal wirkenden Antibiotika unter Berücksichtigung der Taschentiefe
  2. Verabreichung von systemisch und lokal wirkenden Antibiotika unter Berücksichtigung weiterer Parameter als den oben genannten
  3. Desinfizierende Spülungen mit Bezug auf unterschiedlicheParameter

In einem Review von JAVED et al. (2013) unter Bezugnahme von neun Studien führten systemische und lokale Antibiotikaapplikationen (z. B. Tetracyclin, Doxacyclin, Amoxicillin, Metronidazol, Minoxicyclin-Hydrochlorid, Ciprofloxacin, Sulfonamide + Trimethoprim) zu teils signifikanten Reduktionen der Taschentiefe in einem Zeitraum zwischen einem und sechs Jahre. Gleiches konnten MOURA et al. (2012) für resorbierbare Doxicyclin freisetzende Nanosphären in lokaler Applikation über einen Zeitraum von 15 Monaten feststellen. LEONHARDT et al. (2003) attestierten verschiedenen systemischen Antibiotika und Antibiotikakombinationen eine Gesamterfolgsrate von 58 % nach chirurgischer Eröffnung und Reinigung der Implantatoberflächen.

ASTASOV-FRAUENHOFFER und Mitarbeiter (2013) konnten für 10 x MICs (Minimale Hemm-Konzentrationen) vollständig wachstumshemmede Effekte von Amoxicillin und Metronidazol auf S. sanguinis und P. ging ivalis feststellen, ohne das jedoch etwaige Wirkstoffkombinationen bessere Effekte auszulösen vermochten. BASSETTI et al. (2013) stellten in einem Vergleich von lokalen Antibiotikagaben und photodynamischer Therapie keine Unterschiede hinsichtlich der Reduzierung der Taschentiefe oder Reduktionen der Bakterienanzahl in den Zahnfleischtaschen fest. Der u.a. als Antioxidans bekannte Grapefruitsaft wirkt lediglich gegen S. aureus bakteriostatisch (SHRESTHA et al., 2012).

Spülungen und Anwendungen mit Chlorhexidin führten in verschiedenen Studien zu einer Reduktion der Taschentiefe, einer höheren implantären Adhäsion sowie einer allgemeinen Abschwächung der Entzündung gemäß der Entzündungsparameter IL1-Beta, VEGF und PGE-2 (MACHTHEI et al., 2012; WAAL et al., 2013; DI CARLO et al., 2008). Im Vergleich mit Doxicyclin führte Chlorhexidin zu signifikant weniger reduzierten Taschentiefen (RENVERT et al., 2008; RENVERT et al., 2006). Im Bereich des „tissue engineering“ konnten LAN et al. (2013) mittels eines Poly-ε-Caprolacton/Alginat-Rings eine kontinuierliche Freisetzungskinetik von Metronidazol über 30 Tage aufzeigen. HOU et al. (2011) inkorporierten Fluoruracil in zylindrische Poly-ε-Caprolacton-Implantate unterschiedlichen Durchmessers.

4.1.2. Lasertherapie

Mit dem Vorteil einer bakteriziden Wirkungsweise werden CO2-, Dioden-, Er:Yag (Erbium-dotierte Yttrium-Aluminium-Garnet)- und Er,Cr:Yag (Erbium, Chromiumdotierte Yttrium-Aluminium-Garnet)- Laser mit zunehmender Häufigkeit in der Therapie von Perimplantitiden eingesetzt, wobei auf minimale Absorptionen und Rückstrahlungen zwecks Material-und Gewebeschutz geachtet werden muss. Er:Yag- und Er,Cr:Yag- Wellenlängen in einem Spektrum von 3 μm können Biofilme um bis zu 90 % reduzieren, wobei im Gegensatz zu den meisten mechanischen Therapieansätzen etwaige Biokompatibilitäten und zellstimulierende Eigenschaften kompromittiert werden können (SCHWARZ et al., 2008, YAMAMOTO & TANABE, 2013; SCHWARZ et al., 2006). Die Bestrahlung mit einem CO2-308nm-Excimerlaser führte dagegen hauptsächlich und effizient im anaeroben Bakterienspektrum zu zufriedenstellenden Ergebnissen (DEPPE et al., 2007).

Im Vergleich mit einer mechanischen Behandlung durch Plastikküretten führten Behandlungen mit einem Er:Yag-Laser zu signifikant besseren Ergebnissen hinsichtlich von Blutungsereignissen bei Periimplantitis, wobei Taschentiefe, klinisches Attachmentlevel, Plaque-Index und Gingivarezession in beiden Therapieformen nicht signifikant unterschiedlich, aber verbessert zum Ausgangswert waren (SCHWARZ et al., 2006) (Abb. 4).

PERSSON et al. (2011) untersuchten in einer randomisiert-klinischen Studie mit 42 Patienten über 6 Monate die Effektivität von Er:Yag-Lasern zu einem Pulverstrahlsystem. Bis auf unterschiedlich reduzierende Effekte auf spezifische Bakterien nach einem Monat (Er:Yag: Fusobacterium nucleatum; Pulverstrahlsystem: P. aeruginosa, S. aureus und S. anaerobius) konnten nach 6 Monaten keine langfristig reduzierenden Effekte aufgezeigt werden.

4.1.3. Photodynamische Therapie

In der photodynamischen Therapie werden mit hilfe von hochenergetischem monofrequenten Licht, z. B. aus Diodenlasern, in Kombination mit Photosensibilisatoren (z. B. Toluidinblau) reaktive Sauerstoffspezies mittels Multiplizität erzeugt. In einem Wellenlängenbereich von 580 bis zu 1400 nm und Toluidinkonzentrationen zwischen 10 und 50 μg/ml entwickelt die photodynamische Therapie bakterizide Effekte gegen aerobe und anaerobe Bakterien (A. actinomycetemcomitans, P. gingivalis, P. intermedia, S. mutans, E. facalis) (SCHWARZ et al., 2008; AL-AHMAD et al., 2013; MEISEL & KOCHER, 2005). In einer Studie von DEPPE et al. (2013) zur Effektivität der Phototherapie bei moderater und schwerer Periimplantitis konnten sowohl klinisches Attachment als auch Blutungsindex signifikant verringert werden, wobei schwere Verläufe weitere Knochenresorptionen aufwiesen. Somit sollten photodynamische Therapieversuche lediglich bei weniger weit vorangeschrittenen Stadien angewendet werden.

4.1.4. Therapie der Mukositis

Unter Einbeziehung der oben genannten nicht-chirurgischen Therapieverfahren wird die Behandlung von Mukositiden unter allgemeiner Verbesserung der Mundhygiene in eine mechanische Implantatreinigung (Titan- und Kunststoffküretten, Ultraschall, Pulverstrahl, photodynamische Therapie), orale (Chlorhexidinglukonate, Fluoride, Wasserstoffperoxid, Natriumperkarbonat) und lokale (z. B. Betaisodonna) antiseptische Maßnahmen eingeteilt. In zwei randomisiert klinischen Studien (HEITZMAYFIELD et al., 2011, HALLSTRÖM et al., 2012) konnten keine Vorteile von Desinfektionsmaßnahmen (Chlorhexidin und Azithromax® (Makrolid)) gegenüber den jeweiligen Kontrollgruppen in der Reduktion der Taschentiefe, des Plaque-Index oder der Pusbildung festgestellt werden. Reduktionen im Blutungsindex wurden auf die allgemeine Verbesserung der Mundhygiene unter Verweis auf die potentielle Bedeutung von Leitlinien bzw. Behandlungsprotokollen zurückgeführt (HEITZ-MAYFIELD et al., 2011; HALLSTRÖM et al., 2012; ZEZA & PILLONI et al., 2012).

4.2. Chirurgische Therapie

Die chirurgische Therapie kombiniert oben genannte nicht-chirurgische Therapieformen mit resektiven und regenerativen chirurgischen Ansätzen. Die Indikation zur Therapie sowie der chirurgische Ansatz selbst wurde in Patientenstudien aufgezeigt (Tab. 5, 6) und bemisst sich unter anderem am AKUT-/CIST-Konzept (Auffangende Kumulative Unterstützende Therapie/Cumulative Interceptive Supportive Therapy) (RUTAR et al., 2001; SCHMAGE, 2010; Smeets et al., 2014a). Hier werden gemäß der Gesamtstudienlage bezüglich kieferchirurgischer Augmentationsansätze häufig autologe, allogene und xenogene Biomaterialien als Augmentationsmaterialien bei knöchernen Defekten verwendet, wobei allogene und xenogene Transplantate dem autologen Material nahezu gleichwertig sind (FISCHER et al., 2011; KOLK et al., 2012; SMEETS & KOLK, 2011; Smeets et al., 2014b,c,d).

Tabelle 5: Auswahl an klinischen Studien zur chirurgischen Therapie der Periimplantitis
Autor Methoden Ergebnisse
Schwarz 2006 Versorgung der Knochendefekte von 22 Patienten mit xenogenem Knochen und kollagener Membran (Gruppe 1) oder Hydroxylapatit und kollagener Membran (Gruppe 2) über 6 Monate Gruppe 1:
  • Taschentiefe: 7,0+/-0,6 auf 4,9+/-0,6 mm
  • Klinisches Attachment: 7,5+/-0.8 auf 5,7+/-1,0 mm
Gruppe 2:
  • Taschentiefe: 7,1+/-0,8 auf 4,5+/-0,7 mm
  • Klinisches Attachment: 7,5+/-1,0 auf 5,2+/-0,8 mm
Roos-Jansåker 2007 Vergleich von:
  • Gruppe 1 (n=17): Algipore + Membran (Osseoquest)
  • Gruppe 2 (n=19): Algipore
Reduzierung der Taschentiefe um 2,9 (Gruppe 1) und 3,4 mm (Gruppe 2) bei Defektfüllungen von 1,5 bzw. 1,4 mm
Aghazadeh 2012 Vergleich von autogenem (AG, n=23) zu xenogenem Knochenersatzmaterial (XG, n=22) hinsichtlich:
  • Blutungsindex
  • Taschentiefe
  • Knochenwachstum
XG signifikant besser zu AG und Baseline
Schwarz 2012 Versorgung der Knochendefekte von 24 Patienten mit xenogenem Knochen und kollagener Membran nach Defektreinigung mit:
  • Gruppe 1 (n=12): Er:YAG-Laser
  • Gruppe 2 /n=12): Plastikküretten, Wattepellets, Kochsalzlösung
Gruppe 2 mit signifikant besserem Blutungsindex als Gruppe 1 und Baseline
Wiltfang 2012 22 Patienten bei Versorgung mit Gemisch aus autologem- und xenogenem Knochenersatzmaterial Durchschnittliche Taschenreduktionen von 3,5 mm
Mijiritsky 2013 Versorgung von 18 Implantaten mit Titangranulat mit Effektmessung nach 6 bis 15 Monaten Knochenzuwachs von durchschnittlich 2,1 mm
Matarasso 2014 Versorgung von 11 Implantaten mit demineralisierter boviner Knochenmatrix und Kollagenmatrix subkrestal sowie Implantatplastik suprakrestal. Evaluation nach 12 Monaten. Signifi kante Veränderungen:
  • Taschentiefe: 8,1+/-1,8 auf 4,0+/-1,3 mm
  • Klinisches Attachment: 9,7+/-2,5 auf 6,7+/-2,5 mm

Auswahl an klinischen Studien zur chirurgischen Therapie der Periimplantitis

Tabelle 6: AKUT-/CIST-Protokoll
Stufe Befund Therapie
  Totalmisserfolg: Implantatbruch, Primärkomplikation < 6 Monate; mehr als 2/3 der Implantatlänge an Knochenverlust Explantation
1 Infektion wegen Fremdkörper („Zementitis“) Mechanische Reinigung, Politur
2 Mukositis
ST > 3 mm ohne radiologischen Knochenverlust
Mechanische Reinigung, Politur, Desinfektion mit CHX
3 Leichte Periimplantitis
ST ≥ 4 mm
Knochenverlust < 2 mm
Mechanische Reinigung, Politur, Desinfektion mit CHX, syst. antibiotische Therapie (Metronidazol 3x400/d + 3x/500/d Amoxicillin) für 7d
4 Fortgeschrittene Periimplantitis
ST > 5 mm
Knochenverlust ≥ 2 mm radiologisch
Chirurgische Intervention: Situs darstellen, Konkremente und Biofi lm entfernen, Implantatplastik, Knochenersatzmaterial zur Defektstabilität, Membran und dichter Verschluss insbesondere um Implantat, antibiotische Therapie mit Metronidazol + Amoxicillin

ST: Sondierungstiefen

In einer retrospektiven Studie von LAGERVALL et al. (2013) mit 150 Patienten (382 Implantaten) war die am meisten angewendete Operationsform die parodontale Lappenoperation mit Osteoplastik (47 %), gefolgt vom Einsatz von Knochenersatzmaterialien (20 %).

Dabei konnten für beide Verfahren kumuliert eine Erfolgsrate von 69 % verzeichnet werden, welche bei Patienten mit Risikofaktoren wie Rauchen, Parodontitis und schlechter Mundhygiene signifikant niedriger war.