Das Schulterdesign

3. Mikroarchitektur der Implantatschulter

Neben dem Design und der Lokalisation der Implantatschulter muss auch der Oberflächenbeschaffenheit eine große Bedeutung hinsichtlich des krestalen Knochenverlustes beigemessen werden. Grundsätzlich können die heute auf dem Dentalmarkt erhältlichen Implantate in die Gruppe der Implantate mit maschinierter Implantatschulter (Abb. 1 & 2) und die Gruppe der Implantate mit mikrostrukturierter Implantatschulter (Abb. 3 & 4), bei denen die meist raue Implantatoberfläche das gesamte Implantat bedeckt, eingeteilt werden. Entgegen dem Unterschied bei der Oberflächenbeschaffenheit der Implantatschulter ist die übrige Oberfläche heutzutage bei fast allen Titanimplantaten mittels unterschiedlicher Verfahren angeraut. Dies geschieht, um die Oberflächenbeschaffenheit zugunsten der Zellanheftung zu verändern, da bei unbehandelten glatten Titanoberflächen eine langsamere Besiedlung mit Zellen als bei angerauten Oberflächen beobachtet werden konnte (NISHIMOTO et al., 2008). Des Weiteren konnte beobachtet werden,dass Osteoblasten sehr sensitiv für eine erhöhte Oberflächenrauigkeit sind und die Produktion verschiedener Wachstumsfaktoren gesteigert wird. So wird erreicht, dass kürzere Einheilungszeiten vor der anschließenden Implantatbelastung benötigt werden und auch kleinere Implantate als gewohnt verwendet werden können (NASATZKY et al., 2003).

Zu den Verfahren, mit denen die Implantatoberfläche modifiziert werden kann, gehören

  • die anodische Oxidation
  • das mechanische Strahlen mit verschiedenen Partikeln (z. B. Titanoxid, Aluminiumoxid, Hydroxylapatit) und das chemische Ätzen mit verschiedenen Säuren (z. B. Salzsäure, Flusssäure)
  • oder Kombinationen von mechanischen und chemischen Verfahren.

Neben einer Änderung der Implantatmorphologie können diese Verfahren zusätzlich zu einer hydrophileren Implantatoberfläche führen. Erhöhte Hydrophilie konnte als weiterer begünstigender Faktor für die anfängliche Anheftung von Knochenzellen nachgewiesen werden (WATANABE et al., 2012).

Bei Implantaten mit mikrostrukturierter Implantatschulter steht die Idee der begünstigten Knochenneubildung an rauen Oberflächen auch im Bereich der Implantatschulter und damit verbunden ein geringerer marginaler Knochenverlust im Vordergrund. Dieses Ergebnis konnte in unterschiedlichen Studien beobachtet werden. Sandgestrahlte und säuregeätzte Titanimplantate, die keine maschinierte Implantatschulter aufwiesen, wiesen im Vergleich zu Implantaten mit maschinierter Schulter weniger periimplantären krestalen Knochenverlust auf (HERMANN et al., 2011).

Eine vergleichbare Studie beobachtete sogar einen marginalen Knochenzuwachs bei den mikrostrukturierten SLA®-Implantaten und einen Knochenverlust bei den maschinierten Implantaten nach einem Jahr (VALDERRAMA et al., 2010). In diesem Zusammenhang gilt auch für maschinierte Implantate, dass der marginale Knochenverlust umso geringer ausfällt, je kleiner die maschinierte Schulter ist. In einer Studie, in der ein gleiches Implantatsystem mit unterschiedlichen maschinierten Implantatschultern untersucht wurde (0,4 mm bzw. 1,6 mm), wiesen die Implantate mit der kleineren maschinierten Implantatschulter nach drei Monaten signifikant weniger marginalen Knochenverlust und einen höheren Bone-to-Implant-Contact (BIC) auf (SCHWARZ et al., 2008).

Diese vorteilhaften Auswirkungen auf die Knochenbildung werden jedoch von einer erhöhten Gefahr der Plaquebesiedlung begleitet. Diese Gefahr besteht besonders dann, wenn die Wundheilung nicht komplikationslos verläuft und die Implantatschulter der bakteriellen Flora der Mundhöhle exponiert wird. In diesem Zusammenhang kam eine Übersichtsarbeit von Subramani und Mitarbeitern (2009) zu dem Schluss, dass eine Zunahme der Oberflächenrauigkeit von Implantaten und Abutments mit einer Förderung der Biofilm-Bildung einhergeht. So wurde bezüglich der subgingivalen Plaque eine 25-fach höhere Akkumulation an rauen im Vergleich zu glatten Oberflächen gemessen (QUIRYNEN et al., 1996). Der entstehende Biofilm ist häufig verantwortlich für Entzündungen im Bereich der Mundhöhle wie beispielsweise einer Gingivitis, Periimplantitis oder Periodontitis und seine Bildung sollte daher möglichst unterbunden werden (DHIR, 2013). Um das Risiko einer Periimplantitis, die in letzter Konsequenz zu einem Implantatverlust führen kann, zu reduzieren, sollte neben den klassischen Risikofaktoren, wie Rauchen und schlechte Mundhygiene, auch eine raue Implantatschulter- und Abutmentoberfläche gemieden werden (QUIRYNEN et al., 2002).

Anders als bei Abutments, die regelhaft der Mundhöhle und der darin befindlichen bakteriellen Flora ausgesetzt sind, sollte daher bei enossalen Dentalimplantaten ein Kompromiss zwischen die Knochenbildung fördernden rauen Oberflächen und Biofilm resistenteren glatten Oberflächen gefunden werden.